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Betrunken ohne Alkoholkonsum

Polizist führt bei einem jungen Mann einen Alkoholtest in der Atemluft durch.

Ohne Alkoholkonsum betrunken werden? Das klingt erstmal nach einer faulen Ausrede. Doch es gibt tatsächlich Menschen, denen kann genau das passieren. Sie leiden unter dem sogenannten Eigenbrauer-Syndrom.

Verwaschene Sprache, schwankender Gang

Das ist wirklich ein Alptraum: Obwohl man keinen Schluck Alkohol konsumiert hat, fühlt man sich auf einmal so, als hätte man gewaltig über den Durst getrunken. So erging es einer 50-Jährigen etliche Male. Mit Alkoholfahne, verwaschener Sprache und Stürzen aufgrund unerklärbarer Schläfrigkeit wurde sie mehrmals in die Notfallambulanz gebracht. Dort schien die Sache klar: Die Frau hatte eine Alkoholvergiftung. Und das immer wieder: Alle paar Monate traten die Episoden erneut auf, und regelmäßig wurde sie mit ihren Beschwerden in die gleiche Schublade gesteckt.

Pilze am Werk

Dort passte sie allerdings nicht hinein: Denn aufgrund religiöser Überzeugung rührte die Frau schon seit mehreren Jahren keinen Alkohol an, was auch von ihrer Familie glaubhaft beteuert wurde. Beim siebten Besuch in der Notaufnahme - mit einem Blutalkoholspiegel von 2,9 Promille - geriet die Frau endlich an einen skeptischen Arzt: Der stellte die Verdachtsdiagnose Eigenbrauer-Syndrom. Er verschrieb ein Medikament gegen Pilze und schickte die Patientin zum Gastroenterologen.

Beim Eigenbrauer-Syndrom kommt es im Darm zu einer Alkoholgärung. Man nimmt an, dass Pilze die normale Darmflora überwuchern und dann beginnen, Zucker zu Alkohol zu zersetzen. Der gelangt dann ins Blut und wirkt genauso wie getrunkener Alkohol. Begünstigt wird die Pilzwucherung wahrscheinlich durch die Einnahme von Antibiotika. Das vermutete man auch bei der Patientin: Sie hatte aufgrund von wiederholten Harnwegsinfekten häufig Antibiotika eingenommen.

Antimykotika legen die Brauerei still

Behandelt wird das Syndrom mit Antimykotika (Pilzmitteln) und einer kohlenhydratarmen Diät. Damit die Darmflora sich normalisiert, wird zusätzlich die Einnahme von Laktobazillen empfohlen. Auch die 50-Jährige wurde mithilfe dieser Therapie endlich beschwerdefrei. Außerdem riet man ihr und ihrem Hausarzt, in Zukunft zurückhaltender mit antibiotischen Behandlungen zu sein.

Das Eigenbrauer-Syndrom ist zwar selten, schreiben die Autor*innen. Trotzdem sollte es vor allem in Notaufnahmen besser bekannt sein. Denn die Fehldiagnose Alkoholintoxikation kann für die Betroffenen erhebliche rechtliche, soziale und berufliche Folgen haben.

Quelle: Ärztezeitung

12.06.2024 | Dr. med. Sonja Kempinski ; Bildrechte: mauritius images / Manfred Rutz